Während des Malens ist das Kind für sich alleine und gleichzeitig an einem sozialen Ort. Im Mittelpunkt steht der Maltisch mit 18 verschiedenen Farben. Zu jeder Farbe gehören drei Pinsel von hoher Qualität, zwei dünne und ein dicker. Die Farben werden nicht gemischt, um das Malen nicht zu unterbrechen. Ich nehme als leitende Person eine dienende Rolle ein und versuche so gut es geht, dem malenden Kind einen reibungsfreien Ablauf zu ermöglichen. In meinen Projekten können die Kinder ihre Bilder mit nach Hause nehmen oder in einer Ausstellung zeigen, wenn sie das wünschen. In der konsequenten Form des Malortes von Arno Stern werden die Bilder gelagert und nicht öffentlich gezeigt. Das Malen findet über einen längeren Zeitraum statt. Um einen Malort einzurichten, müssen bestimmte Regeln beachtet werden. Wenn in einer Schule Interesse besteht, einen Malort einzurichten, ist das gerne möglich.
In über 50 Jahren Forschungsarbeit hat Arno Stern den Malort entwickelt. Er entdeckte, dass bei allen Menschen die gleichen Gebilde entstehen, die einer bestimmten Entwicklung unterliegen und die genetisch programmiert zu sein scheinen. Diese Gebilde sind wie eine Sprache mit einer Grammatik. Weil sie aber seiner Meinung nach keine Kommunikation darstellen, da die gemalten Äusserungen nicht an andere adressiert sind, nannte er sie „Formulation“.
Für seine Forschungsarbeit reiste Stern in den 50-er Jahren in viele entlegene Gebiete der Welt. Er reiste u. a. nach Mauretanien, in den Dschungel von Peru, nach Mexiko und Afghanistan. Auch beobachtete er Kinder aus der Grossstadt Paris. Dabei sah er, dass alle Menschen dieselben Gebilde schaffen. Er fand seine Annahme bestätigt, dass die Gebilde genetisch gespeichert sind, aber nur ans Licht kommen, wenn der Mensch unbeeinflusst malen kann, ohne in eine Richtung gedrängt zu werden. Die „Formulation“ ist nach Arno Stern eine vollkommen andere Äusserung als die Kunst.
Es gibt für das geäusserte keinen Empfänger. Das gemalte soll keine Gedanken oder Gefühle in anderen auslösen. Das Kind lernt alles uneigene abzustreifen. Es stellt nicht die Frage: Was soll ich tun? Es lernt, aus sich selbst heraus zu malen.
In anderen Malschulen werden die Bilder betrachtet. Wenn das von Anfang an ausgeschlossen ist, entsteht keine von anderen abhängige Äusserung. Es gibt kein Versprechen, kein Ziel, keine Therapie, das einzige Versprechen ist die Lust. Kinder im Malort werden selbstbewusst, weil nichts von ihnen erwartet wird und sie sich ganz dem eigenen hingeben können. Nach Arno Stern beschreiben viele Menschen die Zeit im Malort als ihre glücklichste, denn sie ist frei vom Dualismus der Welt.
Der Malort soll dem Mensch helfen, den Zugang zu seiner eigenen, inneren Spur zu finden, ihr spielerisch zu folgen, frei von innerer oder äusserer Erwartung nach Leistung. Das Kind ist in seiner Individualität uneingeschränkt, befindet sich aber dennoch in einem kollektiven sozialen Geschehen. Es malt in der Gemeinschaft, in der keine Konkurrenz gefördert wird.
Die leitende Person nimmt eine dienende Rolle ein und sorgt dafür, dass die Malenden ungehindert sich in ihrem Tun vertiefen können. Sie selbst muss frei sein von Urteil. Im Malort gibt es keine begabten und unbegabten. Nach Arno Sterns Erfahrung brauchen Kinder heute viel länger um zu lernen, sich frei im Malen zu äussern. Sie können auch nicht mehr so gut etwas Schritt für Schritt durchziehen. Der Malort fördert einen regelmässigen Fortgang und Kontinuität in einer Handlung.
„Das Kind kann was es will und es will was es kann.“
Arno Stern
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